Zu den am häufigsten fehlerhaft verwendeten Begrifflichkeiten der deutschen Sprache gehören sicherlich die Begriffe „dasselbe“ und „das Gleiche“, denen wir etwa in den Wendungen „der gleiche Tag“ oder „der selbe Tag“ begegnen. Die Verwechslungsgefahr ist hier überaus groß, da die Unterscheidung semantisch und logisch eher subtil ist.
Sprachgeschichtlich verweist der Begriff „das Gleiche“ auf zwei Elemente, die sozusagen Duplikate sind, sich also sehr stark ähneln (gleichen), jedoch nicht identisch sind.
Hinweise auf diese Interpretationsebene ergeben sich aus anderen Verben oder Nomen, die das Morphem „gleich“ verwenden, wie beispielsweise das Tunwort „vergleichen“. Vergleicht man zwei Elemente miteinander so stellt man dabei sowohl die Ähnlichkeiten, wie auch Unterschiede der miteinander in Beziehung gesetzten Elemente heraus. Im Gegensatz dazu betont der Begriff „dasselbe“ die völlige Identität zweier Sachlichkeiten.
Spricht man vom selben Tag, dann meint man damit den Tag mit identischem Datum, also etwa den 10. Februar 2005. Der „gleiche Tag“ kann sich dagegen zum Beispiel auf einen spezifischen Wochentag beziehen (etwa zwei Dinge, die an einem Mittwoch passierten) oder auf irgendeinen 10. Februar (in welchem Jahr auch immer) nehmen. So könnte ein Sprecher heute etwa darauf verweisen, er habe am gleichen Tag Geburtstag, wie Bertolt Brecht (10. Februar); dass der Sprecher am selben Tag geboren ist (10. Februar 1898) würde an ein Wunder grenzen.
Die Differenz zur englischen Sprache
Die Verwirrung wird dadurch etwas größer, dass uns die entsprechende Bedeutungsdifferenz in anderen häufig verwendeten Sprachen, wie etwa dem Englischen so überhaupt nicht begegnet. Hier existiert schlicht die Variante „the same“, die entweder in Form von „dasselbe“ oder „das Gleiche“ übertragen werden müsste. Durch Ergänzung weiterer Wörter oder Wortbestandteile kann man hier die Bedeutung eingrenzen. Eine Erweiterung in diesem Sinne könnte beispielsweise „exactly the same day“ oder „the exact same day“ lauten und die Aussage damit näher spezifizieren. An dieser Stelle ist es auch sinnvoll zu betonen, dass die Bedeutung von „das Gleiche“ weiter ist als die Bedeutung von „dasselbe“ – es ist also im Deutschen vermutlich wenig verwirrend, wenn ein Sprecher sagt: „Bertolt Brecht ist im gleichen Jahr wie George Gershwin geboren“ und damit eigentlich dasselbe Jahr gemeint ist (also 1898). Dieses Jahr ja kehrt ja nicht wieder und es kann sich somit nur um etwas Identisches und eben nicht um ein Duplikat handeln.
Korrekte Sprache und Gewohnheit
Aus aktueller linguistischer Sicht ist eine zu präskriptive (also vorschreibende oder „urteilende“) Betrachtungsweise nur wenig zielführend. Sprachliche Elemente, die auf Dauer wenig pragmatischen Sinn ergeben, gehen im alltäglichen Gebrauch und insbesondere in der gesprochenen Sprache überaus schnell verloren. So mag man die Unterscheidung zwischen „dasselbe“ und „das Gleiche“ ebenfalls als Relikt betrachten, und ihr die Bedeutung absprechen. Andererseits ist es natürlich auch so, dass Linguisten und Sprachliebhaber sich dennoch wünschen, möglichst differenzierte Ausdrucksweisen bewahren zu können. Hier begegnen die progressiven den eher konservativen Vertretern einer Sprachpolitik, aber grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass sich dem kollektiv und geradezu intuitiv ablaufenden Sprachwandel nur wenig entgegenstellen lässt und man möglicherweise besser daran tut, sich nicht als Sprachpolizei aufzuführen, indem man andere Sprecher ständig korrigieren möchte.